Allgemeines
Schwere Augapfelverletzungen bedürfen einer baldigen
notfallmäßigen Operation, um das Auge zu erhalten und eine möglichst gute Sehkraft zu bewahren. Im Vordergrund stehen Verletzungen mit Eröffnung der Augapfelwand (perforierende Verletzungen), aber auch stumpfe Verletzungen können teils erhebliche Schäden verursachen.
Wie kann es zu schweren mechanischen Augenverletzungen kommen?
Schwerwiegende Verletzungen der Augen können bei vielen Arten von
mechanischer Gewalt entstehen.
Eine Verletzung mit Durchtrennung der Augapfelwand kann vor allem durch spitze und scharfe Gegenstände verursacht werden, beispielsweise durch Messer, Scheren, Glasscherben (auch Windschutzscheibe, Brillengläser), Tackerklammern oder Pfeile. Von Maschinen ausgehend können manchmal Teile mit großer Geschwindigkeit umherfliegen, die sich in den Augapfel hineinbohren. Bei Arbeiten mit Hammer und Meißel können sich kleine Splitter lösen, in Richtung Auge fliegen und in das Augeninnere eindringen.
Stumpfe Verletzungen werden oft durch Gegenstände verursacht, die kleiner sind als die Augenhöhlenwand und mit großer Wucht auftreffen. Zu einer erheblichen mechanischen Schädigung von Strukturen des Auges kann es beispielsweise durch einen Faustschlag, einen Sektkorken, einen Squashball, das Ende eines Stockes, einen Stein oder einen Stoß mit einem Kuhhorn kommen.
Besonders anfällig für Verletzungen mit größeren Auswirkungen ist das Auge nach vorausgehenden Operationen oder Verletzungen.
Was ist bei der Ersten Hilfe bei schweren Augenverletzungen zu beachten?
Der Betroffene sollte möglichst bald zu einem Augenarzt beziehungsweise einer Augenklinik gebracht werden, damit eine Untersuchung auf mögliche Schäden und deren Ausmaß erfolgen kann. Bei Verdacht auf eine Durchtrennung der Augapfelwand oder auf einen Fremdkörper, der sich tief im Inneren des Auges befindet, sollte als Erste-Hilfe-Maßnahme ein steriler Verband angelegt werden. Auf keinen Fall darf jedoch ein stärkerer Druck auf das Auge ausgeübt werden. Falls sichtbar ein Gegenstand im Auge steckt, so sollte dieser unbedingt belassen werden, weil durch dessen Herausziehen noch größere Schäden verursacht werden können.
Welche Schäden können nach einer größeren Augapfelverletzung auftreten?
Schäden können an praktisch allen Strukturen des Auges entstehen. Die Augapfelhülle kann an der Hornhaut (durchsichtiger, vorderer Anteil) oder an der Lederhaut (der weiße Bereich des Auges) durchtrennt sein. Dies kann auch bei stumpfen Verletzungen vorkommen (Augapfelberstung). Es können Blutungen in die Vorderkammer, in den Glaskörperraum sowie an der Netzhaut vorhanden sein. Die Regenbogenhaut (Iris) kann mechanisch geschädigt sein, z. B. kann sie am Rand abgerissen sein, oder die Pupille kann verzogen sein. An der Augenlinse kann es zu starken Trübungen kommen (traumatische Katarakt), die verbleiben und die Sehschärfe stark erniedrigen. Die Netzhaut (sehfähige Zellschicht am Augenhintergrund) kann reißen oder sich ablösen, was zu unwiederbringlichem Sehkraftverlust führt.
Bei einer Eröffnung des Augapfels sowie durch Fremdkörper im Auge kann eine schwere Augenentzündung (Endophthalmitis) entstehen. Diese kann so heftig sein, dass es zum Verlust des Auges kommt. Weitere mögliche Folgeschäden von Augenverletzungen können Augendruckerhöhung (Sekundärglaukom), Wasseransammlungen der Netzhaut (Ödem) oder schädliche Ablagerungen durch metallische Fremdkörper sein. Die Sehfähigkeit kann vorübergehend oder dauerhaft herabgesetzt sein, es kann zur Erblindung kommen.
Des Weiteren können Begleitverletzungen der umgebenden Strukturen vorhanden sein. Schäden können beispielsweise an den Lidern, den Tränenorganen, den Augenmuskeln oder der knöchernen Augenhöhle auftreten. Bei Schäden am Sehnerv kommt es zur dauerhaften Sehverschlechterung oder zur Erblindung.
In manchen Fällen kann sich nach einiger Zeit auch am nicht betroffenen Auge eine Entzündung ergeben (Sympathische Ophthalmie), die durch Immunprozesse gegen körpereigenes Gewebe entsteht. Dies kann unter Umständen auch die Sehfähigkeit des zweiten Auges gefährden.
Welche Untersuchungen werden vom Augenarzt durchgeführt?
Der Patient wird insbesondere zum Unfallgeschehen befragt (Anamnese). Dann erfolgt ein
Sehtest. Das Auge wird genau betrachtet. Lider, Hornhaut, Lederhaut, Vorderkammer, Regenbogenhaut, Linse, Glaskörperraum und Netzhaut werden auf unfallbedingte Schäden beurteilt. Die Augenanteile werden nach Fremdkörpern durchsucht. Der Augeninnendruck wird gemessen, falls dies möglich ist. Pupillenreaktion und Augenbeweglichkeit werden geprüft. Bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall und Computertomographie (CT) können dabei helfen, die Verletzungen zu beurteilen, Fremdkörper zu finden sowie deren Lage zu bestimmen.
Die operative Behandlung einer schweren Augenverletzung
Bei Verletzungen mit Eröffnung der Augapfelwand ist fast immer eine Operation notwendig. Bei stumpfen Verletzungen erfolgt eine Operation nur, wenn bestimmte Schäden aufgetreten sind.
Falls kein genügender Impfschutz gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) besteht, sollte eine Impfung erfolgen. Um Entzündungen zu verhindern, werden Antibiotika als Infusion und in Form von Augentropfen gegeben.
Eine Operation einer größeren Augenverletzung erfolgt meist in Vollnarkose. Manchmal kann auch eine örtliche Betäubung ausreichend sein, um den Eingriff durchführen zu können.
Die Maßnahmen, die durchgeführt werden, richten sich nach den vorliegenden Schäden. Unter anderem können folgende Aktionen vorgenommen werden:
- Entfernung von Fremdkörpern oder Blut aus der Augenvorderkammer
- Annähen der Regenbogenhaut (Iris) nach einem Iris-Abriss
- Entfernung von Anteilen der Regenbogenhaut, wenn diese aus einer offenen Stelle der Hornhaut herausragen
- Lösen von Verklebungen der Regenbogenhaut mit der Hornhaut oder der Linse
- Entfernung der Augenlinse bei verletzungsbedingten Trübungen (traumatische Katarakt), meist mit Ersatz durch eine künstliche Linse
- Glaskörperentfernung (Vitrektomie) zur Ausräumung von Blut im Glaskörperraum, zur Entfernung von Fremdkörpern oder zur Anlage einer Netzhautablösung
- Netzhautlaser oder -vereisung (Kryokoagulation) zur Abdichtung eines Defektes der Netzhaut
- Aufnähen einer Plombe oder eines Gürtelfadens (Cerclage) außen am Augapfel bei Netzhautablösung
- Eingriffe zur Augendrucksenkung (Glaukom-Operationen beziehungsweise Laser)
- Naht der Hornhaut oder der Lederhaut nach Eröffnung des Augapfels
- Weitere Operationsmaßnahmen bei Verletzungen der umgebenden Strukturen (Lider, Tränenwege, knöcherne Augenhöhlenwand, Augenmuskeln). Hierzu kann es notwendig sein, dass Spezialisten aus anderen Fachgebieten hinzugezogen werden.
- Bei zu gravierenden Verletzungen, bei denen ein langfristiger Erhalt des Auges nicht gesichert ist und die Folgeschäden den Nutzen überschreiten, muss gegebenenfalls die Entfernung des Augapfels erfolgen.
Am Ende der jeweiligen Operation wird eine antibiotische Augensalbe (oder Augentropfen) aufgetragen und ein Verband angelegt.
Komplikationen, die durch die Operation entstehen können
Abgesehen von den Schäden, die bereits durch die mechanische Augenverletzung entstanden sind, kann manchmal auch die Operation selbst zu weiteren Komplikationen führen. Blutungen können auftreten, Infektionen können vorkommen. Eine Ablösung der Netzhaut ist möglich. Trübungen der Hornhaut und der Augenlinse können entstehen. Es kann zu einer gefährlichen Augeninnendruckerhöhung kommen. Bei Undichtigkeit des Auges kann der Augendruck auch stark absinken. Eine Erblindung oder sogar der Verlust des Auges ist nicht ausgeschlossen, aber die Gefahr ist meist ohne eine Operation größer.
Welche Prognose besteht bei schweren Verletzungen des Augapfels?
Je ausgedehnter die Schäden sind, desto schlechter ist die Prognose einer Augenverletzung. Mit der Operation wird versucht, möglichst gut das Augenlicht oder wenigstens einen stabilen Augapfel zu erhalten. Das Ergebnis kann im Einzelfall höchst unterschiedlich ausfallen. Manchmal kann die Sehschärfe relativ gut erhalten werden. Bei anderen Patienten kommt es vor, dass auf dem Auge nur noch schemenhaft oder gar nicht mehr gesehen werden kann, oder dass das Auge herausgenommen werden muss. In letzterem Fall kann ein Ersatzauge eingesetzt werden, das von einem so genannten Augenkünstler kosmetisch unauffällig hergestellt wird.
Auch lange Zeit nach erfolgreicher Operation kann es zu Folgeschäden kommen. Eventuell wird ein Zweiteingriff notwendig.