Der Astigmatismus (Stabsichtigkeit) ist eine Art der Fehlsichtigkeit, bei dem parallele Lichtstrahlen am Auge in einer Ebene stärker gebrochen werden als in der anderen. Meist liegt dies an der unterschiedlichen Krümmung der Hornhaut in verschiedene Richtungen, weshalb der Astigmatismus auch Hornhautverkrümmung genannt wird. Der Betroffene sieht einen Punkt entweder stabförmig verzerrt oder gänzlich unscharf. Durch so genannte Zylindergläser kann der Astigmatismus ausgeglichen werden.
In der Regel ist beim Astigmatismus die Hornhaut in einer Raumrichtung stärker gekrümmt als in der dazu senkrecht stehenden Richtung. Eine solche Hornhautverkrümmung wird meist durch die Druckeinwirkung des Augenlides verursacht. Es ist daher häufiger, dass die senkrechte Ebene um 90° herum stärker gekrümmt ist (Astigmatismus nach der Regel), als dass die waagerechte Ebene um 0° herum stärker gebogen ist (Astigmatismus gegen die Regel). Ebenso möglich ist ein Astigmatismus, dessen stärker gebogene Ebene im Zwischenbereich liegt (z. B. in einem Winkel zwischen 20° und 70°, schräger Astigmatismus).
Nicht immer handelt es sich um eine eigentliche Hornhautverkrümmung, denn eine Brechkraftänderung in einer Ebene kann am Auge auch durch eine abweichende Form der Augenlinse, der Hornhautrückfläche oder (bei starker Kurzsichtigkeit) des Augenhintergrundes verursacht sein.
Die unterschiedliche Brechkraft der beiden Ebenen führt dazu, dass parallel auf das Auge treffende Strahlen sich nicht in einem Brennpunkt vereinigen. Vielmehr treffen die Strahlen aus einer Ebene früher zusammen als die der anderen. In einem bestimmten Abstand ergibt sich ein stabförmig verzerrtes Bild, das in einer Richtung scharf ist (oft als „Brennlinie“ bezeichnet), und in einem anderen Abstand ein weiteres mit einer um 90° verdrehten stabförmigen Verzerrung. Dazwischen liegt ein Bereich, in dem die insgesamt geringste Unschärfe vorliegt. Was ein Patient mit Astigmatismus wahrnimmt (stabförmige Verziehung oder verschwommenes Bild), hängt davon ab, in welchem Abstand von den brechenden Medien die Netzhaut liegt.
Der Augenarzt kann bereits durch relativ einfache Methoden eine Hornhautverkrümmung erkennen. Eine stärkere Hornhautverkrümmung kann festgestellt werden, indem eine Placido-Scheibe verwendet wird. Das ist eine Scheibe mit konzentrischen Kreisen und einem kleinen Loch in der Mitte, durch die der Arzt hindurchblickt. Die Spiegelung der Kreise auf der Hornhautoberfläche ist entsprechend oval verzerrt. Genauer vermessen werden kann die Hornhaut mit einem Ophthalmometer (wegen dessen Form auch „Zeiss-Bombe“ genannt). Der geübte Augenarzt kann an diesem Gerät für jede Richtung die Brechkraft bestimmen. Heute gibt es moderne Methoden, mit computergesteuerten Geräten die Hornhautkrümmung und die Gesamtbrechkraft aller Ebenen genau auszumessen (Hornhauttopographie, objektive Refraktionsbestimmung).
Um z. B. eine Brille anzupassen, wird eine Art Sehtest (subjektive Refraktionsbestimmung) durchgeführt. Dabei werden verschiedene Korrekturgläser vor das Auge gesetzt. Dies ist bei der Stabsichtigkeit etwas schwieriger als z. B. bei der Kurzsichtigkeit, weil auch die richtige Achse herausgefunden werden muss. Nach und nach kann durch richtiges Auswechseln und Drehen der Korrekturgläser der auszugleichende Astigmatismus bestimmt werden. Falls ein Sehtest nicht gut durchführbar ist, so kann auch eine Bestimmung mit einem Spezialinstrument vorgenommen werden (Skiaskopie).
Regulärer Astigmatismus kann durch so genannte Zylindergläser korrigiert werden. Das sind Gläser, die das Licht nur in einer Ebene brechen. In der anderen Ebene werden die Strahlen nicht abgelenkt. Das Zylinderglas wird senkrecht zu der Abweichung der Hornhaut (oder der anderen Medien) vor das Auge gesetzt. Dadurch kann das Licht, das in das Auge fällt, wieder zu einem Brennpunkt vereinigt werden.
Sowohl Brillen als auch Kontaktlinsen können als Zylindergläser angefertigt werden. Kontaktlinsen zur Astigmatismuskorrektur (torische Kontaktlinsen) gibt es als formstabile (harte) als auch als weiche Linsen. Die Kontaktlinse wird so hergestellt, dass sie sich auf dem Auge immer in die richtige Richtung dreht, in der die Korrektur notwendig ist.
Besteht zusätzlich zum Astigmatismus auch eine Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit, so kann der entsprechende Ausgleichswert zusätzlich in das Glas geschliffen werden (sphärische Korrektur). Damit können die regulären Brechkraftfehler kombiniert ausgeglichen werden.
Ein irregulärer Astigmatismus, bei dem eine unregelmäßige Abweichung der Brechkraft vorliegt, ist schwieriger auszugleichen. Liegt der irreguläre Astigmatismus an einer unregelmäßigen Hornhautoberfläche, so kann dieser meist durch eine formstabile Kontaktlinse ausgeglichen werden. Bei starken Schäden der Hornhaut kann eine Hornhauttransplantation (Keratoplastik) angezeigt sein. Wenn die Abweichungen durch Linsenveränderungen (Katarakt) bedingt sind, so wird die Linse entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt.
Es gibt gezielte Operationen, mit denen Brechkraftfehler ausgeglichen werden können (Refraktive Chirurgie). Bei den meisten dieser Eingriffe kann auch ein (regulärer und irregulärer) Astigmatismus mit korrigiert werden. Der am häufigsten durchgeführte Eingriff ist die LASIK, bei der die Hornhaut durch eine Laserbehandlung so zurechtgeschliffen wird, dass die Abweichungen ausgeglichen werden. Neben dieser und anderer Laseroperationen der Hornhaut kann als Korrekturoperation z. B. auch eine Kunstlinseneinpflanzung oder ein Linsenaustausch durchgeführt werden.
Letzte Aktualisierung am 13.12.2023.