Kurzsichtigkeit ist ein weltweit zunehmendes Gesundheitsproblem. Mindestens ein Drittel der Bevölkerung in den Industrieländern leidet unter dieser Fehlsichtigkeit, die medizinisch Myopie genannt wird. In einigen Teilen Asiens sind sogar 90 Prozent der Bevölkerung von der Sehschwäche betroffen.
Mit einer entsprechenden Sehhilfe lässt sich die Kurzsichtigkeit soweit ausgleichen, dass Einschränkungen im Alltag auf ein Minimum gesenkt werden können. Wer unter einer starken Fehlsichtigkeit leidet, lernt mit dem Handikap zu leben.
Doch der Augapfel wächst bis weit ins Erwachsenenalter. Deshalb ist gerade bei Kindern, bei denen bereits in frühem Alter eine Myopie diagnostiziert wird, davon auszugehen, dass die Sehkraft mit den Jahren weiter stark abnimmt.
Wissenschaftler des Singapore National Eye Center haben nun herausgefunden, dass es eine Möglichkeit gibt, dieses Fortschreiten der Kurzsichtigkeit aufzuhalten. Die Substanz, mit der sie experimentieren, ist nicht neu: Atropin, das Gift der Tollkirsche, wird von Augenärzten bereits regelmäßig zur Untersuchungsvorbereitung eingesetzt. Es erweitert die Pupillen und erleichtert damit die Untersuchung des Augenhintergrunds.
Harmlos ist das Nervengift nicht. Die richtige Dosierung ist wichtig: Kinder vertragen es nur in geringsten Mengen. Aber die Wirkung kann sich sehen lassen: Die Ophtalmologen in Singapur haben über einen Zeitraum von fünf Jahren 400 Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren beobachtet. Bei jedem der kleinen Patienten war bereits eine Myopie diagnostiziert worden. Die eine Hälfte der Probanden bekam ein Placebo, die andere Hälfte Augentropfen mit Atropin. Über den Beobachtungszeitraum zeigte sich, dass bereits eine sehr geringe Dosis des Nervengifts dazu führte, die Kurzsichtigkeit um 80 Prozent zu verzögern. Die Forscher hoffen nun, dass Atropin in Zukunft kurzsichtigen Kindern helfen kann, einen Großteil ihrer Sehkraft zu bewahren.
Ob der Effekt wirklich nachhaltig ist, muss jedoch in einer Langzeitstudie noch bestätigt werden. Zudem müssen die Nebenwirkungen überprüft und ausgeschlossen werden. Weitere Studien werden dazu notwendig sein.
aktualisiert am 16.01.2015